Kritik am derzeitigen Wohnungseigentumsgesetz
Die GdW (Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) ortet Handlungsbedarf insbesondere im Bereich der Entscheidungsfindung der Eigentümergemeinschaft. Das derzeitige WEG 2002 enthält keinerlei Bestimmtheitserfordernis für Beschlüsse. Es gibt keine Vorschriften für Informationen, die im Zusammenhang mit Beschlussfassungen notwendig sind. Mit einer entsprechenden Regelung ist sicherzustellen, dass Wohnungseigentümer die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Beschlussfassung vor der Abstimmung beurteilen können. Dazu ist erforderlich, dass entsprechende Kostenvoranschläge oder Kostenschätzungen vorliegen und eine Aufklärung über alle Folgen der Beschlussfassung erfolgt.
In der Praxis ist immer wieder strittig, ob ein anfechtbarer Beschluss vorliegt oder nicht. Da eine derartige Konstellation bei einer gerichtlichen Beschlussanfechtung Kostenfolgen nach sich zieht, ist eine Klarstellung des Bundesgesetzgebers erforderlich. Dies hat durch klare Formerfordernisse für Beschlüsse zu erfolgen, z.B. durch die Notwendigkeit der Überschrift „Beschluss“. Es wäre aber auch denkbar, die Regelungen hinsichtlich des Kostenersatzes entsprechend anzupassen, so dass die Verfahrenskosten denjenigen treffen, der sich unklar ausdrückt.
Im Bereich des WEG 2002 bestehen Probleme hinsichtlich der Zustellung an Wohnungseigentümer. Dieses Problem stellt sich in der Praxis deshalb, weil das derzeit geltende WEG 2002 vorsieht, dass die Zustellung an die Adresse des Wohnungseigentumsobjektes oder an eine andere dem Verwalter bekannt gegebene Adresse zu erfolgen hat. Auch einzelne Miteigentümer dürfen auf eine Beschlussfassung hinwirken. Diesen fehlt jedoch die Information, welche Adressen bekannt gegeben wurden. Auch wenn die Rechtsprechung grundsätzlich die Verpflichtung des Verwalters bejaht, die Adressen der übrigen Miteigentümer bekannt zu geben, kommt es doch in der Praxis immer wieder zu Problemen (ausgenommen die berechtigte Untersagung der Weitergabe durch Wohnungseigentümer). Abhilfe könnte die Festlegung schaffen, dass eine Zustellung an das Wohnungseigentumsobjekt und die im Grundbuch angegebene Adresse jedenfalls ausreichend ist. Jeder Wohnungseigentümer kann selbst dafür sorgen, dass seine Adresse im Grundbuch aktuell bleibt. Wenn ein Wohnungseigentümer dem Verwalter die Weitergabe seiner Adresse untersagt, sollte die Zustellung an den Verwalter formell ausreichend sein.
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Ein weiteres Problem der Zustellung stellt sich im Gerichtsverfahren. Das WEG 2002 sieht vor, dass eine Verständigung der Wohnungseigentümer in vielen Fällen durch Anschlag im Haus erfolgt. Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass eine vorzeitige Entfernung des Anschlages nicht schädlich ist. Die praktische Folge ist jedoch, dass viele Wohnungseigentümer von Anschlägen im Haus nicht Kenntnis nehmen können. Besonders schwerwiegend ist dies in Fällen, in denen ein Wohnungseigentümer direkt beeinträchtigt wird (z.B.: bei Änderungsbegehren, die andere Wohnungseigentumsobjekte beeinträchtigen). Zumindest in derartigen Fällen hat eine Zustellung des Antrages an die betreffenden Wohnungseigentümer zu erfolgen.
Derzeit sieht das WEG 2002 vor, dass die Verpflichtung zur Durchführung der notwendigen Erhaltungsarbeiten durch Beschlussanfechtungen nicht entfällt. Die Rechtsprechung stellt klar, dass angefochtene Beschlüsse in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung bis zu deren Aufhebung durch das Gericht wirksam sind. Damit wird das Ergebnis der Beschlussanfechtung oft durch faktische Vorgänge vorweggenommen.
Es ist im Gesetz klarzustellen, dass Mit- und Wohnungseigentümer berechtigt sind, sich nicht nur vertreten zu lassen, sondern dass diese auch berechtigt sind, Vertrauenspersonen bei Eigentümerversammlungen oder Vorsprachen beim Verwalter beizuziehen (wobei zu präzisieren ist, dass diese Vertrauenspersonen nur im Fall einer Stimmrechtsvollmacht für den Eigentümer auftreten können).
Die GdW lehnt jede „Erleichterung der Beschlussfassung“ ab, die dazu führt, dass nicht allen Mit- und Wohnungseigentümern Stimmrecht zukommt. Es wird vielfach diskutiert, dass Stimmenthaltungen dazu führen sollen, dass den betreffenden Eigentümern kein Stimmrecht zukommt und dadurch leichter Mehrheiten gefunden würden. Auch haben Politiker gefordert, dass Mehrheitsbeschlüsse in Eigentümerversammlungen mit Mehrheit der anwesenden Eigentümer gefasst werden sollen. Auch diese Forderung lehnt die GdW strikt ab, weil dadurch Mit- und Wohnungseigentümer von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden.
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Das Rechtsinstitut des Eigentümervertreters hat sich in der Praxis nicht bewährt und hat zu entfallen. Es ist im WEG 2002 ausdrücklich klarzustellen, dass alle Mit- und Wohnungseigentümer die gleichen Rechte und Pflichten haben und diese nicht durch Hausvertrauensleute, Haussprecher, Verwaltungsbeiräte, Hausausschüsse, Stiegenvertreter o.ä. beschränkt werden dürfen. Das Unternehmensrecht kennt zahlreiche juristische Personen. Bei keiner einzigen davon ist ein Verbindungsglied zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer vorgesehen. Dieses Erfordernis besteht daher auch bei der Eigentümergemeinschaft nicht.
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Das WEG 2002 sieht vor, dass ein Verwalter wegen schwerer Pflichtverletzung durch Mehrheitsbeschluss oder Gerichtsentscheidung abberufen werden kann. Eine derartige Abberufung führt zur sofortigen Beendigung des Verwaltungsverhältnisses. Dem WEG 2002 ist jedoch nicht zu entnehmen, was unter einer schweren Pflichtverletzung zu verstehen ist. Erforderlich ist eine Klarstellung durch den Bundesgesetzgeber, welche Verletzung der Verwalterpflichten jedenfalls schwerwiegend genug ist, um eine Abberufung zu rechtfertigen. Dass eine derartige Aufzählung nicht abschließend sein kann, versteht sich von selbst.
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Das Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Rechnungslegung ist ins Außerstreitverfahren verwiesen. Der Gesetzgeber hat klar zu stellen, was unter einer ordentlichen und richtigen Abrechnung zu verstehen ist, beispielsweise indem eine entsprechende Verordnung erlassen wird. Um die Einheit des Rechnungslegungsverfahrens aufrechtzuerhalten, ist auch eine Klarstellung des Bundesgesetzgebers erforderlich, dass alle Streitigkeiten um die Abrechnung im Außerstreitverfahren durchzuführen sind.
Seit einer Novelle im Jahr 2005 ist auch im Außerstreitverfahren eine grundsätzliche Kostenersatzpflicht vorgesehen. In den meisten Fällen führt das dazu, dass der Verlierer die Kosten des Siegers zu übernehmen hat. Da das Wohnungseigentumsgesetz aber zahlreiche Verfahren vorsieht, in denen alle übrigen Miteigentümer als Antragsgegner zu führen sind, ist diese Regelung problematisch. Einerseits sind die Wohnungseigentümer oft nur durch Anschlag im Haus zu verständigen, andererseits trifft sie aber eine Kostenersatzpflicht für ein Verfahren, von dem sie möglicherweise nicht einmal Kenntnis haben. Der im Verfahren Obsiegende steht andererseits vor dem Problem, dass er bei der Einbringlichmachung der zugesprochenen Kosten einer Vielzahl von Personen gegenübersteht. Die Eigentümergemeinschaft wird dadurch oft vor eine Zerreißprobe gestellt.
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Gemeinschaft der Wohnungseigentümer: GDW-Informationen 3/2014
http://www.gdw.at/docs/IB_Wohnungseigentumsgesetz.pdf
Wohnungseigentumsgesetz WEG 2002
http://www.jusline.at/Wohnungseigentumsgesetz_(WEG).html
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