Wohnungseigentümergemeinschaft: Gefangen in der Haftungsgemeinschaft
Die ganz große Gemeinheit entsteht heute nicht dadurch, dass man sie tut, sondern dadurch, dass man sie gewähren lässt.
(Robert Musil)
Eine Irreführung birgt allein schon der Begriff Wohnungseigentum. Denn es handelt sich, wie § 2 WEG festlegt, hier nicht um ein Eigentum an einer Wohnung, sondern nur um ein ausschließliches Nutzungs- und Verfügungsrecht, untrennbar verbunden mit lediglich einem Miteigentumsanteil an einer Liegenschaft und nicht um Alleineigentum. Und aus dem Miteigentum ergeben sich viele Probleme. Denn mit dem Kauf einer Eigentumswohnung, genauer: dem Erwerb eines Miteigentumsanteils mit einem Nutzungsrecht, tritt man auch in eine Miteigentums-, Haftungs- und Gefahrengemeinschaft ein – mit allen möglichen Konsequenzen.
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Die[..] Entscheidungsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft wird durch eine Vielzahl von Miteigentümern, wie sie auf großen Liegenschaften vorhanden sind, minimiert, nicht nur wegen der Vielfalt von Meinungen, sondern auch, weil ihnen – im Gegensatz zu den in der Regel professionellen Verwaltungen – die Organisationsstruktur fehlt.
Aber auch auf kleineren Einheiten mit wenigen Selbstnutzern, die noch dazu wegen Alters, Krankheit und beruflicher Probleme wenig persönlichen Freiraum für die Angelegenheiten des Hauses haben, kommt es häufig kaum zur gemeinsamen Interessenswahrung.
Gibt es aber einen Minderheitseigentümer mit großen Anteilen, oder gar einen Mehrheitseigentümer, dann setzen diese ihre Anliegen nicht selten gegenüber der schwachen Mehrheit oder noch leichter auf Kosten der Minderheit durch.
Manchmal gelingt es auch kleinen Cliquen, ihre Eigeninteressen gegenüber einer überforderten Mehrheit permanent durchzusetzen.
Andererseits können auch einzelne Wohnungseigentümer zum Kostenfaktor für alle anderen werden, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen und ihre Schulden gegenüber der Gemeinschaft wegen hypothekarischer Überbelastung ihres Anteils nicht eingetrieben werden können…
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Es sind noch mehr die Geschäftsinteressen Dritter, der Hausverwaltungen, der Professionisten, der Versicherungen u.a., die die (Wohnungs-)Eigentümergemeinschaft mit oft vermeidbaren Kosten belasten. Die Gefahr für die Wohnungseigentümer/innen ergibt sich nämlich aus der Trennung der Handlungskompetenz des Verwalters und der Haftungskompetenz der Wohnungseigentümer/innen.
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Hat sich eine Verwaltung, auch eine offensichtlich pflichtvergessene, einmal festgesetzt und ihre Herrschaftsstrukturen mit Hilfe des/der Hausbesorger(s)/in oder von Kollaborateuren, die auf Kosten der Gemeinschaft begünstigt werden, errichtet, so bedarf es meist außerordentlicher Anstrengungen der aktiven Minderheit, einen Verwalterwechsel herbeizuführen, vorausgesetzt, dass die Miteigentümerstruktur (Mehrheitseigentümer!) dies auch zulässt.
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Hat die Anteilsmehrheit die Verwaltervollmacht nicht entsprechend beschränkt, und das ist leider meist der Fall, kann der Verwalter im Rahmen der ordentlichen Verwaltung nach eigenem Ermessen auch vermeidbare Ausgaben auf Kosten der Wohnungseigentümer/innen machen, wie etwa die Auftragsvergabe auf Grund überhöhter Angebote und den Abschluss umfassender, provisionsergiebiger Versicherungen.
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Univ. -Prof. Dr. Heinz Barta Dr. Josef Mentschl
http://www.gdw.at/docs/LA_Solidarhaftung.pdf
weiterführende Lektüre:
Josef Mentschl: Wohnungseigentum – Geschichte und Gegenwart. Wien: Verlag Österreich 2013.
http://www.verlagoesterreich.at/wohnungseigentum-geschichte-und-gegenwart-mentschl-978-3-7046-6503-4
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