OGH: Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft für Hausmeister?
16.9.2019 – Ein nachlässiger Hausmeister streute nicht, eine Wohnungsbesitzerin stürzte – sie klagte die Eigentümergemeinschaft ihrer Wohnanlage. Der OGH dazu: Eine Gehilfenhaftung sei ausgeschlossen, da es sich beim Winterdienst um eine universale Verpflichtung handle. Allerdings könnte die Gemeinschaft dann haften, wenn es sich beim Hausmeister um einen Repräsentanten handle. Das muss das Erstgericht nun herausfinden.
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Die gestürzte Wohnungseigentümerin richtete eine Klage um Schmerzensgeld sowie weitere Forderungen an die Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft. Kausal für ihren Unfall sei das Verfehlen des Hausbesorgers gewesen. Dieser sei Repräsentant der Gemeinschaft, diese hafte daher.
Die Eigentümergemeinschaft beantragte die Abweisung, da sie erstens ihren Mitgliedern gegenüber nur deliktisch für die Verletzung der Wegesicherungspflichten hafte, zweitens der Hausmeister weder untüchtig noch gefährlich gehandelt habe, und er drittens dem Dienstverhältnis nach nicht Repräsentant sei.
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Der Oberste Gerichtshof (OGH) schickte voraus, dass Einigkeit darüber herrsche, dass Winterdienst zur Verwaltung einer Liegenschaft gehört und diese der Eigentümergemeinschaft zuzurechnen ist. In diesem Sinne komme dieser auch unstrittig Rechtspersönlichkeit zu.
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Die Literatur, die der OGH heranzog, erwies sich als alles andere als eindeutig. Einige Autoren sprechen sich für die Sicht der Beziehung zwischen Eigentümer und Eigentümergemeinschaft als rechtlicher Sonderbeziehung aus, welche als gesellschaftsähnliches Verhältnis beschrieben wird.
Andere unterstützen dagegen die gesetzlich verankerte Zugangsweise, die Gemeinschaft hafte rein deliktisch, da es an einer Vertragsbeziehung mangle, was auch Gehilfenhaftung ausschließe. Die Bezeichnung als gesellschaftsähnliches Verhältnis lässt sich im Gesetz aber ebenso finden.
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Die Wohnungseigentümer bilden laut OGH die Eigentümergemeinschaft, der Einzelne könne nur über sie Einfluss auf die Verwaltung nehmen, welche ihr gänzlich übertragen wird. Sie trete aber als juristische Person laut früheren Entscheidungen nur nach außen und nicht gegenüber Mitgliedern auf.
Das Wohnungseigentumsgesetz 2002 habe schließlich festgelegt, dass sich Klagen eines einzelnen Eigentümers nicht gegen die Gemeinschaft sondern gegen die restlichen Eigentümer zu richten haben. Im Innenverhältnis sei die Gemeinschaft nicht eigenständiger Rechtsträger.
Eine Gehilfenhaftung ließe sich also genau dann argumentieren, wenn entgegen der Tendenzen der Rechtsprechung eine rechtliche Sonderbeziehung besteht. Eine ausdrückliche Stellungnahme fehle der österreichischen Judikatur – also sei die Antwort praktisch offen.
Rechtliche Sonderbeziehung
Der Vergleich mit einer Gesellschaft sei zurückzuweisen, so der OGH. Eine Gesellschaft entstehe willkürlich durch einen Vertrag, die Eigentümergemeinschaft automatisch durch Wohnungskauf auch gegen den Willen der Mitglieder als notwendige Rechtsfolge – nicht, wie bei Hochleitner geschrieben, freiwillig.
Eine rechtliche Sonderbeziehung ließe sich auf dieser gesetzlichen Verpflichtung aufbauen, aber nur für aus dem Gesetz ableitbare Pflichten. Eine Pflicht zum Winterdienst kenne es nicht, bestehe aber eine allgemeine Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Verwaltung, würde sie Winterdienst beinhalten.
Die Verwaltungspflicht liege aber beim Verwalter. Sie der Eigentümergemeinschaft zu übertragen, würde ihre Haftung auf Handlungen ausdehnen, auf die der einzelne Eigentümer keinen Einfluss nehmen kann. Ein solches Ungleichgewicht könne nicht gewollt sein.
Die Streuungspflicht auf eigenem Grund bestehe gegenüber jedermann. Da keine Verwaltungspflicht gegenüber den Wohnungseigentümern besteht, sei hier die Haftung deliktisch aus dieser universalen Verpflichtung abzuleiten. Bei einer solchen sei aber Gehilfenhaftung ausgeschlossen.
Entscheidung aufgehoben
Ob die Beklagte für den Hausbesorger als Repräsentanten hafte, war dem Berufungsgericht zufolge unwesentlich, weshalb das auch in der Revision nicht aufgebracht wurde. Laut OGH dürfe die Ansicht der zweiten Instanz der Klägerin aber nicht schaden, weshalb er die Frage doch behandelte.
Es entspreche der Rechtsprechung, dass eine juristische Person für Personen haftet, die in ihrem Auftrag Tätigkeiten ausüben, sofern diese mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis ausgestattet sind. Diese gelten dann als Repräsentanten des Auftraggebers.
Auch ein angestellter Hausbesorger könne ein solcher Repräsentant sein, sofern in seinem Dienstvertrag explizit vereinbart ist, dass er seine Arbeit selbstständig und eigenverantwortlich zu verrichten hat. Es reiche nicht, dass seine Arbeit bloß faktisch nicht kontrolliert wird.
Der OGH beschloss daher, den Prozess zu dieser Frage an das Erstgericht zurück zu verweisen: Es ließe sich nicht ohne weiteres feststellen, ob das autonome Arbeiten des Hausbesorgers sich auf eine gültige außervertragliche Vereinbarung oder bloße Nachlässigkeit des Verwalters zurückführen lässt.
Die Entscheidung im Volltext
Die OGH-Entscheidung 5Ob37/19f vom 31. Juli 2019 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
Haftung hin, Haftung her, haften tut eine Wohnungseigentumsgemeinschaft erst, WENN der Geschädigte eine Forderung, sprich Klage gegen diese anstrebt!! In meiner 40 jährigen Erfahrung mit den Hausverwaltungen der Wohnanlage Ulmgasse, ist mir kein einziger Fall bekannt, Gelegenheit dazu gab es, meiner Meinung nach, genug, wo die HV bzw. der Hausbesorger,Hausmeister, Reiniger etc. wie immer man sie nennen möchte, zur Verantwortung gezogen werden.
Somit steht das obige, wie vieles, nur am Papier….Gott schütze die Ulmgasse…..
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